2002 trug der Rapper Cam'ron im Musikvideo zu Hey Ma einen rosafarbenen Velours-Tracksuit, samt passendem Durag und Accessoires. Die US-Rap-Welt, sonst von performativer Hypermaskulinität durchtränkt, kam nun weich, plüschig und pink daher. Dieser Trend erreichte schnell die Laufstege europäischer Metropolen, hatten doch Afro-Amerikanische Rapper, welche rassifizierte Zuschreibungen von Heterosexualität, Hypermaskulinität und Aggressivität perfekt verkörperten, bewiesen, dass die feminin besetzte Farbe ihrem Image nicht schaden konnte.
Dieser medial-historische Moment ist der Ausgangspunkt für das choreografische Solo BEING PINK AIN’T EASY, das die Fragilität und Machtmechanismen, die der Konstruktion von Weißsein zu Grunde liegen, aufdeckt.
Im Einleitungskapitel von Everything but the Burden – What white People are taking from Black Culture (2003) befasst sich Greg Tate mit dem ungleichen kulturellen Austausch, der zwischen Schwarzen Künstler*innen und weißen Aneignungen besteht. Ferner erklärt er Hip Hop als ein ästhetisches Nebenprodukt der amerikanischen Hollywood Dream-Maschinerie, des Konsumkapitalismus und der unterschwelligen Verführung. Im darauffolgenden Kapitel der Anthologie stellt Carl Hancock Rux fest, dass der Archetyp des White N***a oder Wigga in einer langen Traditionslinie mit weißen US-amerikanischen und europäischen avantgardistischen Künstler*innen der 20er und 30er steht. Die Performance von weißer Blackness lässt sich als eine zeitgenössische Form der Minstrelsy begreifen.
Die Musik und Körperlichkeit Schwarzer Künstler*innen scheint als konsumierbares Konzept zur Konstruktion eines weißen Selbst auf der offenen Straße zu liegen. Kapitalistische Vermarktungslogiken machen Schwarze Ästhetiken zu einer für jede*n verfügbaren performativen Maske, die im Ernstfall auch abgelegt werden könnte.
BEING PINK AIN’T EASY beleuchtet das scheinbar unstillbare weiße Begehren nach Schwarzen Ausdrucksformen. Die Konstruktion von Hautfarbe, die weiß-Sein als machtwirksames und unmarkiertes Symbol gesetzt hat, wird in dieser Begehrensstruktur aufgedeckt. Die Bühnenfigur, des White N*, erfährt eine Hyper-Markierung: Sein Pink-Sein nicht von sich weisen könnend, wird seine Performance zum Anschauungsbeispiel für die Festschreibung von Gewalt und Macht in weißen Körpern.
CHOREOGRAFIE Joana Tischkau PERFORMANCE Rudi Natterer SOUND & KOMPOSITION Frieder Blume DRAMATURGIE & KÜNSTLERISCHE MITARBEIT Nuray Demir, Ellias Hampe KOSTÜM Nadine Bakota BÜHNE Inga Danysz LICHT Juri Rendler GRAFIK DESIGN Justus Gelberg KÜNSTLERISCHE PRODUKTIONSLEITUNG Lisa Gehring FOTOS Meklit Fekadu, Justus Gelberg, Dorothea Tuch
2019
(1) Vgl. Greg Tate (Hrsg.), „Everything but the Burden: What White People Are Taking from Black Culture" (New York, NY: Harlem Moon [u.a.], 2003), 21ff.
Eine Produktion von Joana Tischkau. Koproduziert mit SOPHIENSÆLE, Münchner Kammerspiele und Künstler*innenhaus Mousonturm im Rahmen der Tanzplattform Rhein-Main. Die Tanzplattform Rhein-Main, ein Projekt von Künstler*innenhaus Mousonturm und Hessischem Staatsballett, wird ermöglicht durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain und gefördert vom Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und der Stiftungsallianz [Aventis Foundation, BHF BANK Stiftung, Crespo Foundation, Dr. Marschner-Stiftung, Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main]. Gefördert durch das Kulturamt der Stadt Frankfurt, das NATIONALE PERFORMANCE NETZ (Koproduktionsförderung Tanz), die Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.